Ironman Maastricht 2016 - Sue Lüthi

Eine Hymne an den belgisch-limburgischen Straßenbau
Sue Lüthi - 50 Jahre - Journalistin
Platzierung: 4. Rang – Gesamtzeit: 12:19 h
Schwimmen: 1.15 - Radfahren: 6:24 h (116 Abzweigungen) - Laufen: 4:29
Bericht:
Wo liegt Maastricht?
In den Niederlanden. Mittendrin. Meine Assoziation: flach und windig und die Menschen essen Gauda und Waffeln. Die Website sagt 1474 Höhenmeter auf der Radstrecke und 280 beim Laufen.
Frau Lüthi brütet über Höhenkurven, 3D-Ansichten, Karten-Apps. Kennt virtuell jede Erhöhung auf der Rennstrecke vom 30. Juli 2016 und steigt locker zum Start ihres 7. Ironmans in die Maas. Eine braune Brühe ist das, unter einem grauen Himmel, dazwischen tanzen gelb-orange Bojen im 15-Meter-Rhythmus. Ein Privileg sei es, in der europäischen Schifffahrtsstraße schwimmen zu dürfen, sagt die Bürgermeisterin. Am Tag zuvor hätte das Renn-Komitee zwei Triathleten aus dem Fluss gepfiffen und sogleich auf dem Polizeiposten deponiert. Nix Spaß mit Frachtern und Containern. Spaß hatte ich dennoch, nachdem wir unter dem Regierungsgebäude durchgekrault waren, über das Inselchen rannten, zurück in die Schifffahrtsstraße sprangen und flussabwärts schwammen, juhuii.
Nach dem braun-grauen Nass ging`s weiter in grau-grünem Nass. Im dichten Wald und am Geulhemmerberg erkannte ich erste Gemeinsamkeiten mit der Flandernrundfahrt. Schnuckelige Häuschen säumen den Pflastersteinweg, der uns um Ecken und Kreisel aufs Feld führt. Ha, zu früh auf die Abfahrt gefreut, das Sträßchen ist ein Flickwerk. Holper ins nächste Dorf, kreisch, stopp, rechtwinklig links, Schwelle, durchs Quartier, über Randsteine wieder auf den Feldweg.
Uff, durchatmen, dann Schwelle, Pflasterstein, Dorf, Verpflegung, rechts ab und wieder Feldweg. Hier nichts mit Verschnaufen: Betonplatten, badum, badum. Schön wäre es hier, Kornfelder, Wäldchen, Hügel, Kühe, Dörflein. Nieselregen, Wolken sausen am Himmel. Kein Auto.

Irgendwann einmal passieren wir die belgische Grenze. Die Schilder sehen fremd aus und der Bodenbelag auch immer noch. Nun Betonplatten mit Fugen. Die Wassergräben hat der Bauer mit Stahlplatten abgedeckt und zum etwa 46. Mal biegen wir scharf rechts über genannte Stahlabdeckung und ich staune ab den immer neuen Darbietungen auf dem belgischen Boden: Kreisel aus Klinker schön im Muster belegt, die Schwellen ein geschwungener Bogen aus Naturstein. Und noch ein Städtchen mit Porphyrsteinen am Boden, gemeißelte Randsteine. In jeder zweiten Ecke ein Athlet mit Schlauch-Pneu-Radpanne, dreimal Radfahrer im Lattich- und Kornfeld. Die tollsten sieben Kilometer führen entlang dem Fluss zurück nach Maastricht, wo auch die Holländer schöne Kunst auf dem Boden ausbreiten.
Die zweite Runde wollte ich nun richtig in Angriff nehmen, doch das gute liegt nicht nur auf der Straße, nein, es kommt auch von oben. Und wie. Der Himmel öffnete seine Schleusen und spülte uns über die belgisch-holländische Straßenbaukunst. Zum Laufen waren die Bedingungen dann perfekt, der Himmel zu, der Boden wie immer. Nach 22 Kilometern hatte ich genug. Verdammt. So viele Zuschauer lassen einfach nicht zu, dass man geht oder in Schwäche aufgeht oder aufgibt. Kein Ort, sich zu verstecken, Platz gibt’s nur vorne, also geradeaus und weiter. Die Kilometer rückwärts zählen, die Verpflegungsposten zählen, die Minuten zählen ... und so tragen einen die Füße weiter über den Pflasterstein bis ins Ziel.